Die Auferstehung Christi ist das Ereignis, das den Lauf der Weltgeschichte verändert hat und es ist hierdurch, wie der Apostel Paulus sagt, „das Alte vergangen und alles neu geworden“.284 Ohne die Auferstehung Christi hat, wie Paulus betont, der christliche Glaube keinen Sinn und keinen Wert.285 Die Auferstehung des Gottmenschen bildet den Grundstein und den Kern des christlichen Glaubens. Dieses Ereignis bildet auch den Kern des vorliegenden Buches, denn es ist der Ursprung und der Grund für das Wunders des Heiligen Lichts. Das nichtgeschaffene Licht, das zur Stunde der Auferstehung des Gottmenschen erschien, war nicht ein begleitendes Licht, sondern es war ein mit der Gottheit des auferstandenen Christus verbundenes Licht.
Die Auferstehung des Gottmenschen und die gleichzeitige Erscheinung des nichtgeschaffenen Lichts bilden nicht zwei unterschiedliche Ereignisse, sondern ein und dasselbe, denn Christus kann nicht vom Licht seiner Gottheit getrennt werden. Folglich wird die historische Untersuchung des Wunders des Heiligen Lichts, die schon abgeschlossen ist, noch vollständiger, wenn wir versuchen, uns dem Ausgangspunkt dieses Wunders zu nähern – wenn wir das eigentliche Geschehnis der Auferstehung des Gottmenschen untersuchen und die genaue Zeit, wann sie stattgefunden hat.
Diese Untersuchung wird in diesem Anhang unternommen. Und um sie in Angriff zu nehmen, müssen wir als erstes einen schweren semantischen Fehler hervorheben und erläutern, der bei den Übersetzungen der Textstelle des Evangeliums von Matthäus 28,1 – in fast allen Sprachen – auftaucht und der sich auf den Zeitpunkt der Auferstehung Christi bezieht (die Textstellen 16,9 bei Markus und 28,1 bei Matthäus).
Als ich zum ersten Mal das Werk des Hl. Gregor von Nyssa, „Über die dreitägige Frist der Auferstehung Jesu Christi“ studierte, war mir eine Aussage des Heiligen aufgefallen, die mir großen Eindruck machte: dass die Auferstehung Christi, wie der Evangelist Matthäus im 28. Kapitel anführt, zu einer ganz bestimmten Stunde stattgefunden hat: am Samstagabend, d.h., zu Beginn der Nacht von Samstag auf Sonntag.
„Aber wie ist es möglich“, fragte ich mich. Die Übersetzungen und die Deutungen des Matthäus-Evangeliums geben nichts dergleichen an. Im Gegenteil, sie sagen, dass die Auferstehung Christi in der Morgendämmerung des Sonntags stattgefunden hat, kurz vor Sonnenaufgang. Dieser Standpunkt wird außerdem von hunderten Theologen und Universitätsprofessoren auf der ganzen Welt unterstützt. Ist es möglich, dass sie alle solch einen ernsten Fehler machen? Wir wollen also untersuchen, was Matthäus genau in seinem Evangelium schreibt, anhand der Einheitsübersetzung der Bibel, Altes und neues Testament (Freiburg: Herder, 1980, S. 1127):
Nach dem Sabbat kamen in der Morgendämmerung des ersten Tages der Woche Maria aus Magdala und die andere Maria, um nach dem Grab zu sehen. Plötzlich entstand ein gewaltiges Erdbeben, denn ein Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat an das Grab, wälzte den Stein weg und setzte sich darauf. Seine Gestalt leuchtete wie ein Blitz und sein Gewand war weiß wie Schnee. Die Wächter begannen vor Angst zu zittern und fielen wie tot zu Boden. Der Engel aber sagte zu den Frauen: Fürchtet Euch nicht! Ich weiß, ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier; denn er ist auferstanden, wie er gesagt hat (Mt. 28, 1-6).
Der Abschnitt von Matthäus gibt uns den Zeitpunkt bekannt, zu dem die Gottesmutter und Maria Magdalena sich zum Grab begaben, die Stunde, zu der das große Erdbeben geschah und der Stein weggerollt wurde. Die Auferstehung Christi hatte kurz zuvor stattgefunden, als das Grab noch versiegelt war. Nach der obigen Übersetzung geschahen die Ereignisse, die der Evangelist Matthäus beschreibt, gerade als es „hell wurde“, d.h., als eben der Sonntagmorgen zu dämmern begann. Wie kann es sein, dass der Hl. Gregor von Nyssa genau das Gegenteil behauptet? Dass die Auferstehung Christi gleich nach Sonnenuntergang geschah, am Abend vom Samstag?
Wir wollen daher den ursprünglichen Text des Evangelisten Matthäus untersuchen, der wie folgt beginnt: Ὀψὲ δὲ σαββάτων, τῇ ἐπιφωσκούσῃ εἰς μίαν σαββάτων („Als es Abend wurde, der Sonntag begann“). Wir stellen fest, dass es zwei Wendungen gibt, die die genaue Zeit festlegen:
a. die Wendung „Als es Abend wurde“ (Ὀψὲ σαββάτων).
b. die Wendung „der Sonntag begann“ (τῇ ἐπιφωσκούσῃ εἰς μίαν σαββάτων).
Diese beiden Ausdrücke, obwohl sie auf Griechisch geschrieben sind, geben zwei rein hebräische Feststellungen wieder. Daher ist der Samstag in der ersten Wendung im Plural geschrieben σαββάτων, während der Sonntag in der zweiten Wendung im Singular μίαν σαββάτων steht. Die beiden Ausdrücke haben genau denselben Sinn und bestimmen die Zeit, in der die Nacht des Samstags anfängt. Das erste Wort der Textstelle ὀψὲ, hat, sofern es mit einem Tag der Woche verbunden ist, die Bedeutung „wenn es Abend wird“ oder „zu Abend“. Wobei wir mit dem Wort „Abend“ den Zeitraum zwischen Sonnenuntergang bis zum Einbruch der Nacht bestimmen. Das Wort ὀψὲ286 kann auch „am Ende“ eines Geschehens bedeuten. Folglich kann die Wendung Ὀψὲ σαββάτων auf zwei Weisen übersetzt werden:
а. zur Abenddämmerung des Samstags.
b. am Ende vom Samstag (d.h. nach Sonnenuntergang).
Diese beiden Übersetzungen sind gleich richtig und bestimmen genau dieselbe Zeit: als es begann, Nacht zu werden. Das bedeutet, dass der Hl. Gregor von Nyssa mit seiner Erwähnung vollkommen recht hatte. Wir werden uns seiner Aussage später zuwenden.
Wir müssen auch erwähnen, dass das Wort ὀψὲ zwei weitere Male im Neuen Testament auftaucht, und zwar im Markus-Evangelium. Und in beiden Fällen wird es übersetzt mit „als es Abend wurde“.287 Dr. Moshe Schwabe288 hat zudem darauf hingewiesen, dass die Wendung von Matthäus, ὀψὲ σαββάτων gleichbedeutend ist mit der Wendung von Thukydides ὀψὲ τῆς ἡμέρας, was bedeutet, „als es anfing, Nacht zu werden“.289
Gehen wir nun über zur zweiten Wendung des alten Textes von Matthäus: ἐπιφωσκούσῃ εἰς μίαν σαββάτων, was gewöhnlich folgendermaßen übersetzt wird: „gerade hatte der erste Tag der Woche begonnen, hell zu werden“. Und hier liegt die große Fehlinterpretation. Obwohl die konkrete Übersetzung den Worten nach richtig ist, führt sie zu einem völlig falschen Sinn, denn der Leser glaubt, dass „hell werden“ bedeutet, dass „der Morgen dämmert“. Aber so ist es nicht. Wenn die Hebräer den Ausdruck „hell werden“ gebrauchten, dann meinten sie nicht, dass der Morgen dämmerte, sondern, dass „die Nacht des neuen Tages zu Licht kam“.290
Nach dem jüdischen Gesetz fand der Wechsel des neuen Tages am Abend statt, wenn die Nacht einsetzte. Es gab diese Tradition, weil laut der Genesis Gott zuerst die Nacht schuf, und dann den Tag. Folglich entsprach bei den Juden die „Beleuchtung“ des neuen Tages zeitlich der Abenddämmerung. Viele Forscher des Evangeliums von Matthäus, hervorragende Kenner der hebräischen und der griechischen Sprache, wie John Lightfoot,291 George F. Moore,292 Morton Smith293 und Daniel Boyarin,294 haben bestätigt, dass die Wendung von Matthäus ein Semitismus ist d.h., ein hebräischer Ausdruck, der ins Griechische übersetzt wurde, und der die Stunde bezeichnet, in welcher die Nacht einfällt und der neue Tag, der Sonntag, beginnt, laut jüdischem Kalender.295 Dieselbe These vertritt auch Dr. Isaac Wilk Oliver in seiner Doktorarbeit.296
Der Ausdruck τῇ ἐπιφωσκούσῃ297 εἰς μίαν σαββάτων ist folglich zu übersetzen mit „als der Tag des Sonntags begann (erschien)“ und bezeichnet die Zeit nach dem Sonnenuntergang am Samstagabend. Dieselbe Wendung findet man an einer zweiten Stelle des Neuen Testaments, im Lukasevangelium. Aber dort wird er gewöhnlich korrekt übersetzt. Lukas bestimmt die Zeit der Grablegung Christi mit den Worten καὶ ἡμέρα ἦν παρασκευή καὶ σάββατον ἐπέφωσκε, was bedeutet „und es war Freitag und soeben begann (leuchtete) der Samstag“,298 Was bedeutet, dass die Grablegung Christi nach Sonnenuntergang stattfand, als der Samstag begann (leuchtete), immer entsprechend dem hebräischen Kalender. Und das genau bestätigt auch der Evangelist Matthäus.
Der Ausdruck von Lukas σάββατον ἐπέφωσκε und der Ausdruck von Matthäus ἐπιφωσκούσῃ εἰς μίαν σαββάτων gebrauchen dasselbe Verb und bezeichnen dieselbe Zeit (die Abenddämmerung), mit dem Unterschied des einen Tages. Was bedeutet, dass die Grablegung Christi und Seine Auferstehung zur selben Stunde geschahen, in der ersten Stunde nach Sonnenuntergang (ungefähr um 19 Uhr),299 freilich mit dem Unterschied von einem Tag.
Das oben Gesagte zusammenfassend kommen wir zu dem Ergebnis, dass die Auferstehung Christi am Samstagabend stattfand, und dass die Wendung von Matthäus Ὀψὲ σαββάτων, τῇ ἐπιφωσκούσῃ εἰς μίαν σαββάτων folgendermaßen zu übersetzen ist: „Zur Abenddämmerung des Samstags, als der Tag des Sonntags begann“.300
Beeindruckend ist die Tatsache, dass die korrekte Übersetzung der Stelle, die wir soeben angeführt haben, von allen alten Übersetzungen des Neuen Testaments bestätigt wird – wie z.B. der lateinischen Übersetzung (Vulgata) des Hl. Hieronymus,301 der syrischen Pesita, der äthiopischen, der arabischen, der armenischen Übersetzungen des 5. Jahrhunderts und anderen –, welche bezeugen, dass der Weg von Maria Magdalena und der „anderen Maria“ zum Grab in der Abenddämmerung vom Samstag stattfand, wie auch die Auferstehung des Gottmenschen, die kurze Zeit zuvor stattgefunden hatte.
An dieser Stelle, da wir unsere Untersuchung hinsichtlich der Zeit der Auferstehung Christi zu Ende geführt haben, können wir sagen, dass wir uns vor einem paradoxen Phänomen befinden: der originale griechische Text des Evangelisten Matthäus und ausnahmslos alle seine alten Übersetzungen (lateinische, armenische, äthiopische, arabische, koptische und syrische) geben mit Klarheit an, dass die Auferstehung Christi bei Einbruch der Nacht am Samstagabend, kurz nach Sonnenuntergang geschah, während alle zeitgenössischen Übersetzungen des Matthäus-Evangeliums – das in circa 1650 Sprachen und Dialekten herausgegeben wurde – sagen, dass die Auferstehung Christi geschah, als der Morgen vom Sonntag dämmerte. Die zeitliche Abweichung ist sehr groß. Der alte Text sagt, „bei Einbruch der Nacht“ und die Übersetzer sagen „bei Anbruch des Tages“. Es liegt eine fast vollständige Umkehrung des Sinnes vor. Hieraus ergibt sich eine gewichtige Frage. Wieso wurde die Textstelle von Matthäus auf eine solch inkorrekte Weise übersetzt?
Die Antwort ist ziemlich einfach und wir lassen sie von Daniel Boyarin beantworten: „Diejenigen, die das Wort ἐπιφωσκούσῃ als Morgengrauen übersetzen wollen, was ein Verweis auf den Sonntagmorgen ist, tun dies für gewöhnlich in der Absicht, Matthäus mit den anderen Angaben des Evangeliums in Übereinstimmung zu bringen“.302
Die Feststellung von Boyarin ist treffend. Zu Beginn des 4. Jahrhunderts war Eusebius von Caesarea, zweifellos mit gutem Vorsatz, der erste, der versuchte, die zeitlichen Angaben der Evangelisten Matthäus, Lukas und Johannes in Einklang zu bringen.
Der Evangelist Lukas gibt an, dass der Gang der myrrhentragenden Frauen (mehr als fünf) zum Grab Christi kurz vor dem Morgengrauen des Sonntags stattfand, als es noch dunkel war.
Der Evangelist Markus gibt an, dass der Gang der Myrrhenträgerinnen (drei an der Zahl) am Sonntagmorgen nach Sonnenaufgang stattfand.
Der Evangelist Johannis nennt nur eine Frau, Maria Magdalena, die in der Nacht zum Grab ging.
Der Evangelist Matthäus nennt, wie wir in unserer Untersuchung schon festgestellt haben, die Gottesmutter und Maria Magdalena, die sich während der Abenddämmerung vom Samstag zum Grab begeben. Die Angaben der Evangelisten stimmen weder zeitlich noch in der Zahl der Personen überein.
Eusebius war, zu Beginn des 4. Jahrhunderts, der erste, der die Meinung vertrat, dass es sich bei den Angaben von Johannes, Lukas und Matthäus um dasselbe Geschehen handelte, und dass der Gang der Frauen zum Grab um dieselbe Zeit stattfand – kurz vor Morgengrauen.303 Von dieser Position aus entstand eine kirchliche Tradition, die sich weitgehend bis in unsere Tage erhalten hat. Die These von Eusebius, dass es sich bei den Besuchen der Frauen am Grab um dasselbe Geschehen handelt, führte ihn zu dem Schluss, dass es sich dabei auch um dieselbe Zeit handeln müsse. Folglich musste die Angabe von Matthäus zeitlich zum Morgengrauen „verschoben“ werden, um sie den Angaben von Johannes und Lukas anzupassen. Sind aber solche Anpassungen notwendig? Ist es möglich, dass es bei den Evangelisten eine solch schwerwiegende Nicht-Übereinstimmung gab hinsichtlich der Zeit, zu der die Frauen zum Grab gingen? Oder ist vielleicht diese Uneinigkeit gar nicht vorhanden und es hat nur so den Anschein? Die Antwort auf diese wichtige Frage geben uns drei herausragende Persönlichkeiten der Kirche: der Hl. Gregor von Nyssa, der Hl. Hieronymus und der Hl. Gregorios Palamas.
Der Erzbischof von Thessaloniki, Gregorios Palamas, sagt folgendes: „Es gab viele Myrrhenträgerinnen und sie kamen nicht nur einmal, sondern zwei- und dreimal zum Grab, gemeinsam zwar, aber nicht immer dieselben… Jeder Evangelist nennt also eine bestimmte Gruppe von Frauen und lässt die anderen aus“.304 Genau dieselbe Deutung gibt auch Gregor von Nyssa, während Hieronymus folgendes sagt: „Diese heiligen Frauen … da sie die Abwesenheit Christi nicht ertrugen, liefen nicht nur ein, zwei Mal, sondern immer wieder, die ganze Nacht hindurch zum Grab des Herrn, insbesondere nach dem Erdbeben“.305 Aus diesen Hinweisen wird deutlich, das die Besuche der Frauen am Grab des Herrn unterschiedliche Geschehnisse waren, und folglich besteht auch keine Uneinigkeit unter den Evangelisten. Wenn wir aber dieses Thema vertiefen, stellen wir fest, dass sich nicht alle Besuche voneinander unterschieden.
Damit das verständlich wird, sollten wir unsere Aufmerksamkeit auf einen bedeutsamen Punkt richten: auf die Motivation und den Zweck des Ganges der Frauen zum Grab. Die Frauen, die bei Markus und Lukas erwähnt werden, waren Myrrhenträgerinnen, weil sie zum Grab gingen, um – nach jüdischem Brauch – den Leib des Gottmenschen mit Myron zu balsamieren, wobei sie nicht glaubten, dass Jesus hätte auferstehen können.
Die beiden Marien aber, die von Matthäus angegeben werden, sowie die eine Maria, die von Johannes genannt wird, werden nicht als Myrrhenträgerinnen beschrieben. Die Gottesmutter und Maria Magdalena brachen aus einem völlig anderen Grund zum Grab auf: einfach, „um das Grab zu sehen“, schreibt Matthäus. Die Gottesmutter würde kein Myron bei sich tragen, denn sie wusste von der Auferstehung ihres Sohnes und Gottes und erwartete sie.
Der Hl. Kyrill von Alexandrien war der Auffassung, dass die beiden Gänge der Frauen, die von den Evangelisten Matthäus und Johannes erwähnt werden, identische Geschehen sind. Und er hat Recht. Was die Zeit des Geschehens betrifft, glaubt er, dass sich Matthäus auf den Beginn der Nacht und Johannes auf das Ende der Nacht bezieht. In der Folge nimmt Kyrill als zeitliche Lösung die Mitte der Nacht an306 – eine Position, die ganz und gar zu respektieren ist. Wenn wir aber aufmerksam die Angabe des Evangelisten Johannes betrachten, stellen wir fest, dass sich diese nicht unbedingt auf das Ende der Nacht beziehen muss. Im Gegenteil, sie kann sich auch sehr gut auf den Anfang der Nacht beziehen. Die alte originale griechische Textstelle 20,1 von Johannes sagt folgendes: Τὴ δὲ μιᾶ τῶν σαββάτων Μαρία ἡ Μαγδαληνή ἔρχεται πρωΐ σκοτίας ἔτι οὔσης εἰς τὸ μνημεῖον, καὶ βλέπει τὸν λίθον ἠρμένον ἐκ τοῦ μνημείου („Am ersten Tag der Woche kommt Maria Magdalena früh, da es noch finster war, zum Grabe und sieht, daß der Stein vom Grabe hinweg war“ – Luther Bibel 1912).
Die Wendung Τὴ δὲ μιᾶ τῶν σαββάτων (am ersten Wochentage, d.h. am Sonntag) umfasst als solche die Bedeutung des Abends und den Beginn des Sonntags. Dieselbe Wendung trifft man in der Apostelgeschichte an (20, 7), und sie hat genau diese Bedeutung – die Abendstunde.307
Was das Wort πρωΐ betrifft, das sich in der Textstelle von Johannes findet, so gibt es zwei Bedeutungen in der altgriechischen Sprache. Außer ‘Morgen’ bedeutet es auch „rechtzeitig, früh, sehr früh“.308 Und weil in der Textstelle von Johannes der Ausdruck σκοτίας ἔτι οὔσης (es war noch dunkel) steht, kann das Wort πρωΐ nur mit „früh“ übersetzt werden. So wird es überdies in allen englischen Übersetzungen übersetzt,309 in der offiziellen synodalen russischen Übersetzung, wie auch in der offiziellen griechischen Übersetzung der Apostolischen Diakonie, wo wir folgendes lesen: „Früh am ersten Wochentage, während es noch dunkel war, kam Maria Magdalena zum Grabmal und sah, dass der Stein vom Grab weggenommen worden war“.310
Maria Magdalena begibt sich „früh“ am Sonntag zum Grab. Aber der Sonntag der Juden beginnt am Samstagabend. Also bedeutet das Wort „früh“ (νωρίς) „früh in der Nacht“. Maria Magdalena geht zum ersten Mal zum Grab zu Beginn der Nacht – zusammen mit der Gottesmutter.
Wenn wir die Textstelle von Johannes den heutigen zeitlichen Gegebenheiten entsprechend wiedergeben, bedeutet sie zweifellos „vor dem Morgengrauen“. Wenn wir sie aber nach den jüdischen zeitlichen Gegebenheiten des 1. Jahrhunderts wiedergeben, bedeutet sie „zu Beginn der Nacht“. Nach unserer Auffassung ist auch hier den Gegebenheiten jener Epoche zu folgen,311 wie wir es bereits mit der Textstelle 28,1 von Matthäus getan haben.
Genau dieselbe Deutung müssen wir dem Wort πρωΐ (früh) auch der Textstelle 16,9 des Evangelisten Markus geben, wo man ebenfalls einem bedeutenden Fehler in Übersetzung und Deutung begegnet.312
Maria Magdalena sah den weggerollten Stein und das leere Grab zu Beginn der Nacht, sie sah aber nicht den auferstandenen Gottmenschen – im Gegensatz zur Gottesmutter, die ihn sah und berührte. Maria Magdalena kehrte später in der Nacht zum Grab zurück, zusammen mit den Aposteln Petrus und Johannes, und als sie nach dem Weggang der beiden Apostel allein blieb, sah sie den auferstandenen Christus – wahrscheinlich gegen Morgengrauen.
Die Angaben der Evangelisten Johannes und Matthäus, was den Gang der Frauen zum Grab betrifft, stimmen also nicht nur mit dem Geschehen überein, das sie beschreiben, sondern auch mit der Zeit des Geschehens. Außerdem entscheiden beide, die Gottesmutter nicht zu erwähnen. Johannes nennt sie gar nicht, während Matthäus sie auf geheimnisvolle Weise als „die andere Maria“ erwähnt. Warum aber halten die Evangelisten die Anwesenheit der Gottesmutter am Grab geheim?
Der Hl. Gregorios Palamas, wie wir schon erwähnt haben, unterstützt die Meinung, dass die Apostel nicht öffentlich machen wollten, dass die Auferstehung Christi eine Nachricht war, die von seiner Mutter kam, um den Gegnern des christlichen Glaubens keine Argumente zu liefern. Zudem hatte in dieser Epoche, wie der Historiker Josephus anmerkt, das Zeugnis einer Frau – besonders in den Gerichtssälen – fast kaum einen Wert. „Von Frauen“, schreibt Josephus, „darf kein Zeugnis angenommen werden, wegen der Oberflächlichkeit und Dreistigkeit ihres Geschlechts“.313 Diese offensive Meinung war in der jüdischen Gesellschaft vorherrschend. Aber der auferstandene Christus kam und kehrte sie um: er zeigte sich nur der Muttergottes und Maria Magdalena und auf diese Weise erhöhte er das verachtete Geschlecht der Frauen. Diejenigen, denen das jüdische Establishment nicht erlaubte, Zeugnis zu geben, diese wählte der Gottmensch, damit sie das wichtigste Zeugnis in der Geschichte der Menschheit ablegen.
Kommen wir aber zurück zur Frage der Zeit der Auferstehung. Nach allem, was wir zuvor diskutiert haben, sind wir schon zu einem klaren Ergebnis gekommen: Von den vier Evangelisten werden wir nur von Matthäus und Johannes indirekt über die Zeit der Auferstehung Christi informiert. Und von diesen beiden hat die Angabe von Matthäus sicherlich die größte zeitliche Klarheit und Genauigkeit. Genau das betont auch der Hl. Gregor von Nyssa, welcher der Bruder des Hl. Basilius d. Großen und der Hl. Makrina ist, auf den wir zu Beginn dieses Kapitels verwiesen haben. Gregor setzt die Zeit der Auferstehung Christi mit voller Bestimmtheit auf den Samstagabend und nennt Matthäus ‘groß’, weil er der Ansicht ist, dass er als der einzige uns diese Zeit kundtut:
Untersucht also die Stunde der Auferstehung und ihr werdet die Wahrheit finden, in dem, was ich sage. Wann also war sie? „Als der Samstag sich neigte“, ruft Matthäus aus. Das ist die Stunde der Auferstehung mit der Genauigkeit des Evangeliums, das ist die Grenze des Aufenthalts des Herrn in den Tiefen [des Hades]. Während es also spät am Abend war – der Beginn jener Nacht war der Abend, an welchem der Tag des Sonntags begann – da gab es das Erdbeben, da wälzte der Engel mit den strahlenden Gewändern die Steinplatte vom Grabmal … Der große Matthäus als einziger von allen Evangelisten gab mit Genauigkeit die Zeit an, indem er sagte, dass die Stunde der Auferstehung am Abend vom Samstag war.314
Gregor von Nyssa, den das 7. Ökumenische Konzil „Vater der Väter“ genannt hat, verfügte über ausgezeichnete Kenntnisse in der griechischen Bildung und besaß eine umfassende philologische Schulung. Daher war er der Geeignete, die Textstelle richtig zu deuten. Er sagt klar und mit Nachdruck, dass die Auferstehung Christi am Abend vom Samstag geschah, und genauer, dass es „tiefer Abend“ war – d.h., als die Nacht einfiel. Gregor verbindet das Wort ἐπιφωσκούσῃ (leuchtete) mit dem Abend und erläutert, dass das Licht des Sonntags erschien, als es anfing zu dunkeln, zu „Beginn jener Nacht“.
Eine analoge Position hat auch der Hl. Hieronymus eingenommen, der ein Freund von Gregorios war – die Freundschaft der beiden Väter hatte sich in der Periode von 380-381 in Konstantinopel entwickelt. Hieronymus führt im Jahr 407 in einem Brief an eine französische Gläubige namens Hedibia an, dass: ,,der Herr am Abend vom Samstag auferstanden ist“.315 Die Wortwahl vespere Sabbati („Abend des Samstags“) gebraucht Hieronymus auch in seiner lateinischen Übersetzung der Textstelle von Matthäus.
Der Hl. Kyrill von Alexandrien, der, wie wir sagten, die Angaben von Johannes und von Matthäus zeitlich miteinander verbindet und sie als in der Mitte der Nacht geschehen deutet, akzeptiert zwei Mal in seinem Werk „Deutungen zum Evangelium von Johannes“, dass der Evangelist Matthäus als Zeit der Auferstehung Christi die Abendstunde festlegt. Kyrill schreibt: „Matthäus sagt uns mit dieser Erklärung, dass die Auferstehung [Christi] zur späten Abendstunde geschah“.316
Die Stunde des späten Abends, die auch Gregor von Nyssa annimmt, ist eine sehr konkrete Bezeichnung in der griechischen Sprache. Wie wir schon gesagt haben, ist es die Stunde, zu der die tiefe Dunkelheit einfällt.317
Wir wollen die vorliegende Einheit mit der Anmerkung eines weiteren Vaters vollenden. Wie wir im 2. Kapitel (S. 21-22) erwähnten, in einem der wichtigsten Passagen des vorliegenden Buches, hat der Hl. Johannes Damaskinos die Meinung geäußert, dass zur Stunde der Auferstehung Christi das nichtgeschaffene Licht seiner Gottheit aus dem Grab aufleuchtet „so schön wie ein Bräutigam“. Am Ende dieser Textstelle führt Johannes Damaskinos den Gedanken weiter und nennt auch die Zeit, zu welcher der auferstandene Bräutigam aufleuchtet. Sehen wir seine Ausführung in ihrer Gesamtheit:
Und dieser leuchtende und lichttragende Tag des Heiligen Sonntags, an dem das nichtgeschaffene Licht fühlbar (durch das Sehen) aus dem Grab auftaucht, schön wie ein Bräutigam durch die Schönheit der Auferstehung; denn das Ende vom Samstagabend, das der Evangelist ὀψὲ Σαββάτων nennt, ist der Beginn des Sonntags.318
Johannes Damaskinos gibt an, dass die Auferstehung des Bräutigams Christus sofort nach dem Ende vom Samstag stattfand, gerade als der Tag des Sonntags begann – was bedeutet, sofort als es dunkel wurde.
An dieser Stelle müssen wir uns auch ins Gedächtnis rufen, was das Georgische Typikon von Jerusalem (5.-8. Jh.) erwähnt – das wir im 2. Kapitel (S. 34-35) kennengelernt haben – das ebenfalls für das Fest der Auferstehung Christi den Samstagabend festgelegt hat.
Das heutige Fest der Auferstehung Christi um 00:00 Mitternacht – obwohl ungefähr vier Stunden später als die tatsächliche Zeit – ist völlig korrekt, denn zu dieser Stunde beginnt der Tag des Sonntags unserem heutigen kalendarischen System entsprechend.
Indem wir alles, was wir gesagt haben, zusammenfassen, kommen wir zu dem folgenden Ergebnis: der originale griechische Text von Matthäus (28,1), alle seine alten Übersetzungen, wie auch die Heiligen Gregor von Nyssa, Hieronymus und Johannes Damaskinos legen die Zeit der Auferstehung Christi auf den Beginn der Nacht von Samstag fest, als kalendermäßig der Sonntag begann. Und mit Beginn des Sonntags erfüllte Christus sein Versprechen, dass er am dritten Tag auferstehen wird. Wir wollen sehen, welche drei Tage dies sind, immer ausgehend von der Zeiteinteilung und den kalendarischen Gegebenheiten jener Epoche – in Anbetracht also der Tatsache, dass der Τag nach Sonnenuntergang wechselt und nicht um 00:00 Uhr Mitternacht wie heute.319
1. Tag, Freitag: Christus wird gekreuzigt und stirbt um 15:00 am Mittag des Freitags auf dem Berg Golgatha.
2. Tag, Samstag: der Leib des Gottmenschen bleibt den ganzen Tag im Grab, von Abend zu Abend, ungefähr 24-25 Stunden, d.h. von der Abenddämmerung des Freitags bis zur Abenddämmerung des Samstags.
3. Tag, Sonntag: Christus aufersteht in der ersten Stunde nach Sonnenuntergang, als die Nacht des Samstags einfällt und der Tag des Sonntags beginnt („leuchtet“) – entsprechend dem kalendarischen System jener Epoche. Dieser Zeitpunkt bildet auch den Ausgangspunkt des Wunders des Heiligen Lichts der Auferstehung Christi, dessen chronologische Entwicklung wir im vorliegenden Buch untersucht haben.
284. 2 Kor 5, 17.
285. 1 Kor 15, 13-17.
319. Wir berechnen die Zeit nach den Gegebenheiten des 1. Jahrhunderts, denn Jesus sagte ja, er werde am dritten Tag auferstehen, wobei er die zeitlichen Gegebenheiten von damals anwendete und nicht diejenigen, die wir heute haben.